Dieser Artikel ist Bestandteil einer Essaysammlung zum Thema Autorenleben und Schreiben. Die Übersicht aller Beiträge ist auf dem Blog von Zeitzeugin zu finden.
Die titelgebende Frage wurde mir kürzlich gestellt, als ich erzählte, dass ich versuche herauszufinden, wie breit ein bestimmtes Tal ist. Meine Antwort lautete, dass mein Protagonist das ja wohl abschätzen können muss, wenn er es überblickt. Die Antwort meines Gesprächspartners wiederum war Kopfschütteln.
Ich gebe zu, dass ich die Info schließlich nicht verarbeiten konnte, da sich mein Held schlichtweg nicht dafür interessierte. So kann’s gehen.
Worauf ich hinaus will? Ich möchte eine Antwort finden auf die Frage, warum ich Stunden und nicht selten Abende oder Nächte mit Recherche verbringe, obschon ich mit grosser Wahrscheinlichkeit weiss, dass all das Wissen nie in Kontakt mit meinen Lesern kommen wird.

In Wahrheit kenne ich die Antwort aber bereits. Ich kann nicht anders. Und dies aus mehreren Gründen.

„Das merkt doch niemand!“

Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, ich sei perfektionistisch (besucht mich bei Gelegenheit mal zu Hause und schaut euch die schräg hängenden Bilder oder die „passt schooon“-bemalten Miniaturfiguren an). Aber wenn es um Details geht, die ich in einer Geschichte verwenden will und von denen ich weiss, dass sie irgendwo in den Weiten des Internets auffindbar sein müssen. Dann ist es um mich geschehen. Zu diesem Zeitpunkt geht es dann gar nicht mehr unbedingt darum, dass ich die Info unbedingt für meinen Roman haben muss, sondern vielmehr, dass ich mit diesem Unwissen nicht schlafen gehen will.

„Wen interessiert das überhaupt?“

Mich! Neugierig war ich schon immer. Mein Vater hat das häufig zu spüren gekriegt, wenn ich ihn mit der Anfrage quälte: „Erkläre mir etwas!“
Etwas. Es war dabei absolut egal was. Ich wollte einfach etwas Neues erläutert bekommen. Heute ist mir die Zeit zu knapp, als dass ich mich einfach über was Beliebiges erkundigen könnte. Schließlich sind wir erwachsen und Zeit ist Geld. Nein, heute müssen solche Abfragen immerhin eine gewisse Berechtigung haben. „Ja, ich muss das wissen. Es ist für mein neues Projekt.“
Eine Ausrede, mich stundenlang ohne schlechtes Gewissen von Youtube-Video zu Fachartikel zu Blog-Beitrag und zurück zu hangeln? Ihr habt mich erwischt.
Ich gebe zu, dass ich selbst beim Lesen von Büchern bei weitem nicht so kritisch bin, wie ich mir meine Leser vorstelle. Falls ich mich nun bei besagtem (übrigens real existierendem) Tal vollkommen verschätzt hätte, hätte mir da vermutlich niemand einen Strick gedreht. Ein Wissender hätte vielleicht kurz fragend die Augenbrauchen hochgezogen und das wäre es gewesen. Aber er oder sie hätte die Augenbrauen hochgezogen! Und solche Dinge merke ich, wie eine Erschütterung der Macht. Naja fast.

„Und wenn du es einfach weglässt?“

Zu Beginn schrieb ich, dass ich die Info schließlich weggelassen habe. Das kommt vor. Ständig. Viele vergleichen die Recherchearbeit mit dem berüchtigten Eisberg. Nur ca. 10% der erarbeiteten Informationen schaffen es überhaupt in den Roman. Ich würde diese 10% zwar etwas aufrunden, dennoch ist die Aussage in meinen Augen korrekt.

Entfernung_Tal
Ich musste irgendwann erkennen, dass nicht jeder Leser wissen will, dass besagtes Tal ungefähr drei Kilometer in der Breite misst. Warum also sollte ich eine Abhandlung darüber in meinen Roman packen? Muss nicht sein. Ich bin trotzdem glücklich, die Recherche gemacht zu haben. Und falls es später noch einmal relevant sein sollte, habe ich die Information an der Hand. Oder ich packe sie in irgendeinen Blogartikel, damit die aufgewendete Zeit noch ein bisschen berechtigter scheint.

„Und du arbeitest noch 100% nebenbei?“

Tja, noch lebe ich nicht vom Autorendasein, sondern ich arbeite in einem ganz normalen Brotjob. Der mich übrigens täglich zu neunen Geschichten inspiriert. Ganz abgesehen davon, möchte ich gar nicht unbedingt vom Schreiben leben. Außer vielleicht mit einem Erfolg wie J.K. Rowling. Man darf ja träumen dürfen …

Worauf ich hinaus will: Irgendwann muss man schlafen und essen. Und das ganze recherchierte Zeug will ja auch noch irgendwann auf’s Papier. An einem Punkt ist also Schluss.
Nicht nur das. Vermutlich gibt es unzählige Sachen, die mir gar nicht zu hinterfragen in den Sinn kommt. Schlichtweg, weil ich es als gegeben erachte, oder es mich in keiner Weise interessiert (gerüchteweise soll es solche Dinge auch geben). Oder weil ich zu wenig von der Materie verstehe und kein Opf… niemanden finden konnte, den ich mit seitenlangen E-Mails traktieren durfte.
Trotz aller Liebe zur Recherche wird es immer Dinge in meinen Geschichten geben, die falsch sind. Und das ist okay. Ich kann damit leben. Wirklich. Ernsthaft.

Seh ich da etwa Zweifel in euren Augen?

„Und wofür genau musst du das wissen?“
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