Gastbeitrag

Ich freue mich sehr, dass ich heute seit langem mal wieder einen Gastartikel auf meinem Blog präsentieren kann. Dieses Mal erzählt meine Autorenkollegin Dorothe Zürcher davon, wie sie für ihren Roman einen selbst entwickelten Sagen Stadtrundgang in Zürich etablierte.


Wie ich einen Literarischen Stadtrundgang bei den Hörnern packte

Für meinen Urban Fantasy „Der schwarze Garten“ habe ich über Zürcher Sagen recherchiert.  Die Orte abgeklappert, die in den Sagen vorkommen, und dort nach Spuren gesucht. Warum nicht den Lesern diese Orte zeigen?, sagte ich mir und meldete beim Buchfestival „Zürich liest“ einen „Zürcher Sagenstadtrundgang“ an. Der Vorschlag wurde angenommen und ich musste mich dahinterklemmen.

Stadtrundgang Foto

Einen Stadtrundgang vorzubereiten ist nicht dasselbe, wie ein Buch zu schreiben. Ich stützte mich auf meine Erfahrungen, die ich bei Exkursionen im Lehrberuf gesammelt hatte und machte zuerst etwas ganz Profanes: Ich setzte die Dauer fest. Eineinhalb Stunden – länger sollte ein Rundgang nicht dauern. Pro Station sollte nicht mehr als zwölf Minuten gesprochen werden. Ich musste damit rechnen, dass von Ort zu Ort geschlendert wurde. Das hiess, gewisse Orte sowie Sagen fielen gleich aus dem Raster, was die Vorbereitung einfacher machte.

Andererseits mussten wir nicht immer genau an dem Ort stehen, wo die Sage stattfand. Es existieren gruselige Uetlibergsagen, in denen ganze Rittergeschlechter abgeschlachtet werden. Die konnte ich erzählen, wenn wir den Berg aus der Ferne erblickten.

Bevor ich mich ans genaue Vorbereiten machte, suchte ich meine ausgewählten Orte auf, und kontrollierte, wo ich etwas erhöht stehen und eine Menge von ca. 20 Personen um mich versammeln konnte. War dies nicht möglich, wurde Ort und Sage gestrichen.

Dann ging es ans Hartgesottene: Ich lernte jede Sage auswendig. Aber ich wollte nicht nur Geschichtchen aufsagen. Ich sammelte Informationen über den historischen Hintergrund des Ortes, der etwas mit der Sage zu tun hat. Zudem Hintergrundwissen, wie wir die Sage heute verstehen oder interpretieren können. Und wie das beim Recherchieren so ist, kam immer und immer mehr Material zu Tage: Im Urania-Parkhaus entdeckte ich eine Stele, die im ehemaligen Dianatempel stand, so dass ich die Selbstmörderinnen-Sage plötzlich mit der Göttinnen-Verehrung in Verbindung setzen konnte und … und …

Ich hatte Material für zwei Stunden und konnte nochmals kürzen.

Zusätzlich suchte ich auf der Route einen Buchladen, der meine Bücher ins Sortiment aufnahm, damit ich meine Zuhörer – wie die Teppichhändler in Kairo – dorthin führte und sie mein Buch kauften.

Zum Schluss machte ich eine Hauptprobe mit Zuschauern, die Kritik üben können. Es braucht etwas Überwindung auf einem öffentlichen Platz auf eine Bank zu steigen und lautstark von Hingerichteten zu sprechen, die mit ihren abgeschlagenen Häuptern durch die Gassen spazieren.

Da der Rundgang von einem Festival angeboten wurde, musste ich mir keine Gedanken über Versicherung oder eine polizeiliche Bewilligung machen.

Standrundgang Foto

Zu meinem ersten Stadtrundgang kamen über 90 Personen, was meine Stimmbänder arg strapazierte. Beim zweiten fing es an zu regnen, sodass wir es nicht mehr in den Bücherladen schafften. Beim dritten änderte ich meine Route, da es im Niederdorf ein paar Sagen gab, die ich jedes Mal schrecklich vermisste. Beim vierten änderte ich die Route nochmals, da mich im Voraus mehrere Mails von Zuhörern erreichen, die Gehschwierigkeiten hatten … Der Rundgang blieb in Bewegung.

 

Fazit: Wer gerne Theater spielt, vor versammelter Zuhörerschaft spricht und die Vorbereitung nicht scheut, dem sei das Durchführen eines Rundganges wärmstens empfohlen.

Sagen eignen sich gut, da viele am Stoff interessiert sind. Unterdessen habe ich mich schon an weiteren Literarischen Rundgängen in Oerlikon beteiligt, die nichts mit Sagen zu tun haben. Auch diese sind auf ein breites Interesse gestossen.


Über die Autorin

Dorothe ZürcherIn Zürich geboren, danach im Kanton Aargau aufgewachsen, nach einem längeren Aufenthalt in Argentinien zum Studieren wieder nach Zürich gezogen und geblieben. Sie schrieb lange Zeit Gedichte, dann startete sie mit einer Dystopie ihr erstes Romanprojekt. Im Herbst 2014 wurde der Roman „Tamonia“ und einige Kurzgeschichten publiziert, im Herbst 2015 folgte der Urban Fantasy „Der schwarze Garten“. Inzwischen ist auch ihre Dystopie unter dem Titel „Das Gamma-Lächeln“ erschienen.

Weitere Informationen: http://die-aus-zuerich.ch/mediawiki/index.php?title=Dorothe_Z%C3%BCrcher

Gespenster beim St. Peter – von Dorothe Zürcher
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