
Logbucheintrag – 22.07.2015
Fiska!
Heute bescherte mir das färöische Wetter einen wahren Prachttag mit bis zu 15°C. Ein Blick aus dem Fenster meines Zimmers überzeugte mich, dass ich mich an diesem Tag auf einem Fischerkahn anheuern lasse. Begleitet von einheimischen Profis versuchte ich mich also am Angeln.
Auf dem Kahn „Nólsoyar Páll„ fuhren wir aus dem Fjord hinaus aufs Meer. Der Schiffsname bedeutet übrigens Páll von Nólsoy und bezeichnet den Nationalhelden der Färöer, auch bekannt unter seinem ursprünglichen Namen Poul Poulsen Nolsøe. Er war ein Seefahrer, Händler, Dichter und Farmer außerdem hat er den Schiffsbau revolutioniert. Da ihm ein Darlehen verweigert wurde, um die Möglichkeiten größerer Fischerboote zu demonstrieren, ersteigerte er ein altes Schiffswrack und baute es eigenhändig um. Die „Royndin Fríða“ (Beautiful Trial) war somit der erste Schoner in Besitz der Färöer Inseln und setzte den Grundstein für den Handel mit dem europäischen Festland.
Zurück zum Fischen. Rund um die Inseln werden vor allem toskur (Kabeljau) und makrelur (Makrelen) gefischt. Ersterer schwimmt nahe am Meeresgrund, an unserer Stelle in ca. 25 – 30 Meter Tiefe. Vier von den abgebildeten Vorrichtungen sind auf unserem Boot angebracht, alle auf derselben Seite, damit sich die Leinen nicht verheddern. Sie lassen automatisch ein schweres Gewicht mit drei Hacken hinab, um es dann in regelmäßigen Abständen ca. zwei Meter in die Höhe zu ziehen. So erweckt es den Fischen den Anschein, als wären die aufgespießten Shrimps lebendig. Sobald mehr als ungefähr drei Kilo an der Leine hängt, wird Ganze automatisch hochgezogen, wo man die Kabeljaus geradezu ab den Hacken pflücken kann.
Eine ganze Weile lang zogen diese vier Gerätschaften einen Fisch nach dem anderen hinaus, während wir zu zweit an den Angeln gar nichts drankriegten. Das Konzept ist dasselbe, nur dass unser Gewicht bei weitem nicht so schwer ist und deshalb auch von der Strömung abgetrieben wird. Dadurch müssen wir noch mehr Leine geben. Auch schaffe ich es kaum, das Ganze jeweils so weit in die Höhe zu ziehen und es befinden sich auch nur zwei Hacken am Ende. Rauf und runter bewegte ich die Rute und nichts geschah. Dann, als der Profi an Bord schon sagte, dass es etwas seltsam sei, dass wir mit den Angeln so rein gar nichts reinholten, spürte ich ein plötzlicher Zug an der Schnur. Vorerst noch unsicher, da ja auch sonst ein Gewicht dranhängt und außerdem zuckte und zappelte die Fischerschnur in keiner Weise, rollte ich die Leine auf. Irgendwann war mir aber klar: Da musste was dranhängen! Ich rollte und rollte also, bis meine Schafsärmchen einfach nicht mehr konnten. Jemand anderes übernahm, doch die letzten Meter machte ich wieder und holte den Prachtskerl von einem Kabeljau aus dem Wasser! (Für das Foto musste ich ihn natürlich kurz abgeben, damit ich abdrücken konnte.)
Obschon wenig erpicht darauf, sagte ich mir, dass ich den Fisch nicht nur rausziehe, sondern auch die unangenehmen Aufgaben übernehme. Die Details erspare ich euch, können aber unter dem Begriff „Kiemenschnitt“ ergoogelt werden. Möglicherweise bin ich etwas gar naiv, aber ich war überrascht, dass Fische bluten. Kaltes Blut natürlich, aber dennoch so rot wie unseres. Faszinierend, um einen alten verstorbenen Freund zu zitieren.
Kurz später holten wir die Leinen ein und fuhren zurück in den Fjord. Wir haben genug Fisch gefangen, um uns allen ein gutes Nachtessen zu bieten. Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, bei meinem Fisch auch beim Ausnehmen behilflich zu sein. Ich gebe aber zu, dass mir nach zwei, dreimal zuschauen ehrlich die Lust dazu verging, so dass ich mich ganz klein machte und davonstahl.
Noch ein interessanter Fakt: Diese roten, kleineren Fische und die größeren silbernen, sind beides Kabeljau. Die Roten leben jedoch näher an den Klippen, sind der Meeresströmung viel stärker ausgesetzt und aus dem Grund viel kräftiger. Außerdem scheinen sie etwas zu fressen, was ihnen diese Färbung verleiht.
Während der Rückreise lauschte ich außerdem einer weiteren interessanten Fischergeschichte, nämlich über das Hamferð. Wenn ein Fischer auf See starb, so trennte sich sein Geist von seinem Körper und erschien seinen Liebsten ein letztes Mal um Abschied zu nehmen. Somit wussten diese, dass sein Körper die Hamferð angetreten hatte, was übersetzt so viel heißt, wie die „Reise der Haut“. Das ist übrigens auch der Name einer färöischen Doom Metal Band. Bei einem Mitglied dieser Band gastierte ich übrigens am Abend zuvor, denn er arbeitet im gemütlichsten Pub, das man sich vorstellen kann. Dazu aber später mehr.
Da ich der Einzige an Bord war, der einen Kabeljau von Hand aus dem Meer gezogen hatte – ein Begleiter fing noch einen kleineren Fisch, der später jedoch von Vögeln geklaut wurde, wie ich erfuhr – gestand man mir die Ehre zu, das Schiff sicher in den Hafen zu geleiten. Ein bisschen kam ich mir vor, wie auf der Titantic. Im Gegensatz zu auf der Fähre aber zu einem Zeitpunkt, wo sie noch keine Bekanntschaft mit dem Eisberg gemacht hatte.
My heart will go on …