Kirk das Schaf – Logbucheintrag Nr. 3
Dieser Beitrag ist Teil 3 von 7 in der Serie Kirk das Schaf

Logbucheintrag – 21.07.2015
Fakten und Geschichten

Gestern nahm ich erneut eine Fähre, dieses Mal aber eine kleinere von Tórshavn zu der südlichsten Insel Suđroy. Dort logiere ich nun für eine Woche in Porkeri und genieße die Aussicht von meinem Fenster. Da das Wetter heute jedoch ziemlich bescheiden war, werde ich euch mit einigen Fakten und Geschichten überfluten, die ich im Heimatmuseum in Tvøroyri sammeln durfte.

Karte


Die Fischerei ist neben der Schafszucht seit jeher der größte Wirtschaftszweig der Färöer. Während heute vor allem Kabeljau, Schellfisch und Seelachs gefangen wird, lebten die Menschen früher auch vom Walfang. Und dieser hält die eine oder andere Eigenheit bereit.
Auf dem Bild sieht man zum Beispiel den dreigeteilten Kiefer eines Wals, eventuell ein Blauwal, ganz bestimmt aber eine große Rasse. Ganz knapp schaffte ich es, den mittleren Teil zu heben, ich schätze ihn auf 15 – 20 kg.
Wenn die Walfänger auszogen und auch erfolgreich waren, so töteten sie das Tier auf der Stelle, schlugen ein Loch in seine Haut und füllten ihn mit Luft. Ein Pfropfen sorgte dafür, dass der Wal so für gut zwölf Stunden auf der Oberfläche trieb. Somit konnten die Walfänger weiterreisen und eventuell sogar noch einen zweiten Wal erlegen, bevor sie zurückkehrten und den Fang ins Trockene brachten.
Übrigens wurden damals auch fast alle Teile eines Wals verarbeitet. Bojen bestanden früher zum Beispiel nicht aus Plastik, sondern aus dem Magen eines Wals. Oder abr aus der unzerteilten Haut eines Kalbes.

Die Färinger haben aber noch mehr zu bieten. 1933 landete zum Beispiel der Flugpionier Charles Lindhberg auf seiner Reise von New York nach Europa in einem Fjord der Inseln.
Eine der spannendsten Geschichten, die ich jedoch aus direkter Quelle erfahren durfte, ist die von Edward ‚Ted‘ Wood. Die Inschrift des abgebildeten Rufhorns lautet:

Custom Officer Trangisvaag Einar Larsen
With many regards from Ted Wood
master of trawler Red Crusader
in memory of May the 29th 1961,
when caught by danish gunboat
Niels Ebbesen inside faroese llimits.
Was entered by the danish navy
and escaped from the fregat N.E.
directly to Aberdeen with the prize
crew on Board.
Edward Wood

Ted Wood war laut Bericht ein britischer Schmuggler, der des Öfteren die Färöer besuchte. Am 19. Mai 1961 wurde er von der dänischen Fregatte „Niels Ebbesen“ erwischt, als er unerlaubterweise in in färöischem Gewässer fischte. Dem rund 1000 Tonnen schwereren Schiff ausgeliefert, ergab er sich und ließ die Crew der N.E. an Bord. Dort sperrte er sie aber in einen Frachtraum und unternahm die halsbrecherische Flucht nach Süden. Aus Angst, ihre eigenen Leute zu gefährden, beließ es die N.E. bei Warnschüssen, die die „Red Crusader“ jedoch wenig beeindruckten. Schließlich erreichte der Schlepper Aberdeen – also heimisches Gewässer – wo Wood die Crew der N.E. frei ließ.
Dieser Ted Wood, ungeachtet Freibeuter und Schmuggler, sei laut Bericht aus erster Hand „quite a Gentleman“. Obschon kein enger Freund von Einar Larsen, einem einheimischen Färinger, vertraute er diesem dieses Horn an mit den Worten, dass er dafür sorgen soll, dass er nicht in Vergessenheit gerate. Und genau dieser Einar Larsen war es auch, der mir diese Geschichte (und viele andere) erzählte.
Nun liebe Carmen, ich schätze, das ist genau die Art von Recherche, die du von mir verlangtest. Dein nächstes Buch wird gefälligst eine Piratengeschichte im Nordatlantik!

Mein nächster Halt war die Kirche von Tvøroyri, die eine interessante Vergangenheit hat, welche mir ebenfalls von Einar wiedergegeben wurde.
Dazu vielleicht ein weiterer Fakt zu den Färöern. Es gibt keinen Wald auf den Inseln. Man hat zwar Spuren von Kohlewerken gefunden, die eigentlich auf Baumwuchs hindeuten, aber seit der neueren Zeitrechnung gab es nie welchen, außer dem künstlich angesiedelten Wäldchen in Tórshavn. Wenn wir uns also das Bild der Kirche ansehen, stellt uns dies vor ein kleineres Rätsel. Ursprünglich war der Plan, die Kirche aus färöischem Stein zu bauen, von dem es auf Suđroy massig gab. Nur verfügt dieser Stein laut Einar über ein viel größeres Gewicht, als Fels vom Festland, was es praktisch unmöglich machte, genügend davon herbeizuschaffen.
Schlussendlich erbarmte sich ein reicher Schiffsbesitzer namens Mortensen und bestellte sozusagen eine Kirche in Norwegen. Diese wurde dort geplant, das Material auf die Färöer verschifft und hier aufgebaut. Zum Schluss blieb nur ein einziges Stück Holz übrig, über dessen Zweck mir niemand Auskunft geben konnte. Nachdem ich diesen Fakt erfuhr, blieb ich dann auch nicht mehr lange in dem Gebäude …
Die Kirche wurde dann mehrere Male von einem Dorf in ein anderes versetzt, bis sie wieder an ihren Ursprungsort Tvøroyri gebracht wurde.
Übrigens baten Fischer und andere Bootsbesitzer die Kirche häufig darum, für ihre sichere Heimkehr zu beten, wenn sie auf See waren. Als Dank dafür vermachten sie ihnen nach ihrer Rückkehr eine Miniaturversion ihres Schiffes als „Álmussa„ (Opfergabe), von welchen heute noch zwei von der Decke der Kirche hängen.
Und als letzter, aber absolut wichtigster Fakt: Kirche heißt auf färöisch Kirk! Das erklärt auch die Inschrift auf ihrer Glocke: „Kirkiufólkid“, was soviel heißt wie das Kirchenvolk. Oder eben das Volk von Kirk, was mir irgendwie viel besser gefällt.

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