Gastbeitrag

Hier folgt der Gastbeitrag vom Dezember auf meinem Blog. Evelyne Aschwanden erzählt uns etwas über das Serien schreiben und wie sich Bücherserien verändert haben. Und das passt vorzüglich zu den Neuigkeiten, mit denen ich euch hoffentlich im neuen Jahr dann überraschen darf. 😉


Eins vorweg: Ich bin ein untherapierbarer Serienjunkie. Das hat schon in der Primarschulzeit angefangen, als ich spontane Campingtrips mit meinem Vater und meinen Geschwistern habe sausen lassen, um ja keine Folge von „Timm Thaler“ oder „Nils Holgersson“ zu verpassen – und ist später darin ausgeartet, dass ich als 13-Jährige in meiner Freizeit Englisch gelernt habe, um nicht immer auf die deutschen Untertitel der neusten Episoden von „The Vampire Diaries“ warten zu müssen. Heute kann ich sagen, dass ich meine Sucht mehr oder weniger gut im Griff habe. Dennoch hat sie natürlich Spuren in mir hinterlassen: Die ersten Geschichten, die ich geschrieben habe, waren in verschiedene „Folgen“ unterteilt, um sie für meine kleine Schwester lesbarer zu machen. Und auch heute sind viele meiner Ideen noch in Serienform konzipiert. Im Gegensatz zu Reihen, in denen sich die Handlung über mehrere, oft in sich abgeschlossene Bücher erstreckt, werden Serien oft in deutlich kleinere Episoden gegliedert, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Vor allem im Krimigenre sind Buchserien wie die berühmten „Drei ???“ oder „James Bond“ keine Seltenheit.

Mit der heutigen Möglichkeiten des self publishing, bei dem jeder Einzelne schnell und einfach sein Werk im Internet veröffentlichen kann, scheinen auch die Buchserien neue Relevanz gewonnen zu haben. Auf Plattformen wie „wattpad“ werden Geschichten beispielsweise nur kapitelweise hochgeladen, und im Bereich der E-Books neigen immer mehr Autorinnen und Autoren dazu, monatliche Episoden statt ganze Bücher auf Amazon zu veröffentlichen. Die Vorteile sind natürlich offensichtlich: Die Leserschaft muss nicht lange auf Fortsetzungen warten und gleichzeitig kann der Autor möglicherweise deutlich mehr Umsatz machen, als wenn er die Geschichte als einzelnes Buch verkaufen würde.

Wenn man diesen Trend ein wenig beobachtet, wird man schnell feststellen, dass sich Buchserien heutzutage oft auch von ihrem ursprünglichen Konzept entfernen und sich mehr und mehr den traditionellen Fernsehserien annähern: Die Bände sind vielfach nicht gänzlich voneinander unabhängig, sondern gehören einer überstehenden, grossen Handlung an. Oft werden solche Buchserien auch in Staffeln unterteilt, was ihre Nähe zu ihren Konterparts im Fernsehen deutlich unterstreicht (z.B. die Phönixakademie“-Serie von I. Reen Bow oder die „Academy of Shapeshifters“-Serie von Amber Auburn).

Völlig egal, was man nun von dieser Entwicklung hält, scheinen Buchserien offensichtlich wieder mehr an Bedeutung zu gewinnen. Doch was muss man beim Schreiben einer solchen Buchserie überhaupt beachten?

Wie so oft ist die Antwort darauf nicht ganz einfach. Je nachdem, was für eine Art von Buchserie du planst, stehen völlig verschiedene Dinge im Vordergrund. Da Serien im Gegensatz zu Reihen theoretisch endlos weitergehen können, liegt ihr Fokus oftmals auf der Handlung und weniger auf den Charakteren.

In traditionellen Buchserien werden die einzelnen Bände durch die Figuren oder das Setting miteinander verbunden, während die einzelnen Geschichten stets in sich abgeschlossen sind. Vielfach treten in jedem Band wieder die selben Handlungsmuster auf (zum Beispiel das Lösen eines Kriminalfalls). Als einzige Verbindungspunkte zwischen den Büchern sind die Charaktere meist statisch und machen nur eine geringe oder gar keine Veränderung durch. Auch das Setting bleibt normalerweise dasselbe. Das ist insofern wichtig, als dass es der Leserschaft ermöglicht, an jedem beliebigen Punkt der Serie ohne Vorwissen sofort einsteigen zu können.

Meiner Meinung nach ist das Wichtigste bei solchen Buchserien ihr Wiedererkennungswert und – eng damit verbunden – die Anspruchshaltung der Leserinnen und Leser. Diese wissen nämlich meistens sehr genau, was sie von einem Band dieser Serie erwarten können. Genau diese Erwartungen zu erfüllen, ist in diesem Fall wohl eine der schwierigsten Aufgaben des Autors: Er muss nicht nur seine Leserschaft ganz genau kennen, sondern auch abschätzen können, inwieweit er in den einzelnen Bände vom Grundprinzip der Serie abweichen kann, ohne seinen Wiedererkennungswert zu verlieren. Den Leserinnen und Lesern mit jedem Band wieder ein wenig Neues zu geben und dennoch den gewohnten Mustern treu bleiben, kann dabei zu einem echten Drahtseilakt werden.

Bei den Buchserien, die sich von ihrer Struktur her eher an Fernsehserien anlehnen, sind die Spielregeln hingegen deutlich flexibler. Einzelne Bände sind vielfach nicht länger als Novellen, gehören aber einem grösseren Ganzen an und können deshalb nicht in jeder beliebigen Reihenfolge gelesen werden. Der Fokus liegt auf den Charakteren und ihrer Entwicklung sowie dem Setting.

Wenn ich ehrlich sein will, mag ich diese neue Interpretation von Buchserien sehr. Da bei mir sowohl beim Lesen und als auch beim Schreiben stets die Charaktere im Vordergrund stehen, kann ich (und konnte ich noch nie) mit traditionellen Buchserien nichts anfangen. Deshalb stehe ich dieser neuartigen Entwicklung äusserst positiv gegenüber. E-Book-Veröffentlichungen geben den Autorinnen und Autoren die Chance, verschiedenste Dinge auszuprobieren, ohne dabei ein grosses Risiko einzugehen. Meiner Meinung nach fördert das die Kreativität und den Mut für Unbekanntes – und dieser neue Ansatz, an Buchserien heranzugehen, ist das beste Beispiel dafür.


Evelyne Aschwanden Portrait

Über die Autorin

Evelyne Aschwanden ist vor mehr als zehn Jahren dem Schreibvirus verfallen. Sie fühlt sich im Fantasy- und Horror-Genre Zuhause und bloggt über ihre Projekte auf dieganzeweltdesschreibens.jimdo.com.

Die Revolution der Buchserien von Evelyne Aschwanden
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Lucie
6 Jahre zuvor

Ganz im Sinne von: Lieber spät als nie – toller Artikel. Und er hat offenbar auch heute noch Relevanz. Eben bin ich über die neue Serie von I. Reen Bow gestolpert. Sie hält also am Konzept fest.
Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Konzept für Selbpublisher am meisten rendiert. Es bedeutet aber auch verdammt viel Aufwand, jeden Monat ein Buch zu schreiben, zu formatieren und die Werbetrommel zu rühren. Chapeau an alle die das machen!